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Contents © 2020 Golan Levin and Collaborators

Golan Levin and Collaborators

Bio

Zusammenfassungen von Hauptprojekten

Scrapple (2005: Golan Levin) ist die physische Interpretation eines der bildschirmorientierten audiovisuellen Environments, die ich ursprünglich im Jahr 2000 für die Performance Scribble konzipiert hatte. Mit dem Scribble-Werkzeug malten die Benutzer animierte grafische Zeichen auf ein partiturähnliches Diagramm. Diese Zeichen wurden anschließend durch regelmäßiges Abtasten der Partitur von links nach rechts „abgespielt“, wobei sie als effektive „Noten“ interpretiert wurden. Durch das Wandern der „Noten“ über den Bildschirm entfalteten sich langsam die daraus abgeleiteten Töne und Rhythmen.

Bei der Installation Scrapple werden auf einem Tisch platzierte Objekte als tongebende Noten in einer aktiven Partitur interpretiert. Dabei kommt eine ganze Palette verspielter Gegenstände zum Einsatz: Zur Erzeugung von Melodien eignen sich vor allem frei formbare Kurven, während eine Ansammlung kleiner Aufzieh-Spielsachen und anderer sich bewegender Objekte ständig wechselnde Rhythmen hervorruft. Auf den Scrapple -Tisch projizierte Videos transformieren die Installation in eine einfache Augmented Reality, in der die von den Benutzern platzierten Objekte durch bunte, erläuternde Grafiken verfeinert werden. Der drei Meter lange Tisch erzeugt mittels eines Hybriden aus granularen und additiven Klangsynthesizern einen vier Sekunden dauernden Audio-Loop.


The Manual Input Sessions (2004: Golan Levin und Zachary Lieberman) ["manuelle Eingabe-Sessions"] ist eine Reihe audiovisueller Vignetten, welche die expressiven Möglichkeiten der Gesten der Hand und der Fingerbewegun-gen erforschen. Während der Vorstellung analysiert ein Visionssystem des Computers die Hände der Darsteller, wie sie auf Folien kritzeln und sich über die Glasplatte des Overhead Projektors bewegen. Die Gesten der Hand und die Zeichnungen auf der Folie werden dann durch unsere spezifische Software analysiert. Als Rückmeldung generiert unsere Software synthetische Graphiken und Klänge, die eng an die Formen und Bewegungen der Handlungen des Darstellers gebunden sind. Die synthetischen Reaktionen werden mit den organischen, analogen Schatten mitprojiziert und erzeugen eine fast magische Form eines wirklichkeits-erweiternden Schattenspiels.


Biotopes (Interactive Bar) (2004: Golan Levin und Zachary Lieberman mit Ars Electronica Futurelab). Auf Berührungen der virtuellen Oberfläche ihrer Bassins reagieren die digitalen Organismen mit spielerischer Neugierde. Sie umkreisen abgestellte Gläser wie hungrige Haifische und tummeln sich um alles, was der Oberfläche sonst noch nahe kommt. Aber, keine Angst - sie beißen nicht. Erwischt man einen von ihnen mit dem Finger, folgt er dessen Bewegungen, und lässt sich in jede Richtung und von Tisch zu Tisch weiterschicken. Lässt man sie in Ruhe, tauchen sie wieder in die Tiefen ihrer digitalen Umgebung ab. So werden die bunten Gesellen zum Bestandteil eines kommunikativen Spiels zwischen den Benutzern der interaktiven Bar. Der Kommunikations-Fluss zieht sich dabei durch die einzelnen Bassins und stellt eine Verbindung unter den Beteiligten her.


Motion Traces (2004: Golan Levin und Zachary Lieberman mit Ars Electronica Futurelab) reagiert auf die Bewegungen der Kunden der "future zone" der a1 Lounge mit dynamischen Lichtgestalten. Der Mensch wird zum grundlegenden Teil des Kunstwerkes. Einige der Visualisierungen gleichen Flüssigkeiten, während andere an die sanften Wellen winddurchströmter Felder erinnern. In einer weiteren Animation driften, in Anlehnung an den digitalen Datenstrom, Liniensysteme durch den Äther. Der Besucher bewegt sich so gleichzeitig durch eine reale Umgebung und durch ein Umfeld aus Information, das durch Projektionen sichtbar wird. Die Installation nutzt die neuesten Fortschritte auf dem Gebiet der "Computer Vision", der Bewegungsanalyse und der computerunterstützten Simulation physikalischer Strömungen. Das Medienkunstwerk besteht aus vier synchronisierten Projektionen, die zu einem Gemälde zusammengeführt werden. Architektur wird so zum lebendigen, dynamischen und interaktiven Bestandteil unserer Umgebung.


Messa di Voce (2003: Golan Levin, Zachary Lieberman, Jaap Blonk, und Joan La Barbara) Messa di Voce erschafft in Form einer Konzertperformance eine faszinierende Symbiose aus Klang und Bild, realen Stimmen und virtuellen Grafiken. Eine eigens für dieses Projekt entwickelte Software verwandelt jede vokale Nuance in ausdrucksstarke Echtzeit-Grafiken, mit denen die Sänger wiederum spielen können. Ein Interaktionskreis, der die Performer und Sänger voll in das Ambiente aus Sound, virtuellen 3D-Grafiken und Echtzeitbearbeitung integriert. Die Software in Messa di Voce verbindet ein Motion-Tracking-System und eine Klanganalyse und projiziert Grafiken in Echtzeit. Jedes Geräusch – lange und kurze, hohe und tiefe Töne, Schreien, Bellen, Husten – , Lautstärke und Intensität haben eine visuelle Entsprechung. Es entsteht die Illusion, dass Sprache und Klang sichtbar sind.

Messa di Voce nutzt keine Elemente einer konkreten Sprache, es ist vollkommen abstrakt. Die Vokalkünstler Joan La Barbara (USA) und Jaap Blonk (NL) experimentieren mit allen Möglichkeiten stimmlichen Ausdrucks und erschaffen dadurch einen Raum voller Klangpoesie. In der Interaktion mit den Echtzeit-Grafiken können Geschichten erzählt werden, die Reales und Virtuelles verschmelzen lassen. Es entsteht eine technisch komplexe und dennoch enorm spielerische audiovisuelle Erzählung.

Der Begriff "Messa di Voce" bezeichnet eine der schwierigsten gesangstechnischen Übungen. Ein und dieselbe Note wird in einem stetig an- und abschwellenden Crescendo und Decrecendo und sowohl piano als auch forte – gesungen. Tonhöhe, Intonation und Resonanz müssen im "Messa di Voce" gleich bleiben. Die Schwierigkeit besteht darin, mit der Tonqualität nicht auch die Tonhöhe zu ändern.


The Hidden Worlds of Noise and Voice (2002: Golan Levin und Zachary Lieberman mit Ars Electronica Futurelab) setzt sich spielerisch mit den neuen Technologien der Augmented Reality auseinander. Die mit Datenbrillen ausgestatteten Besucher haben Einblick in eine geheimnisvolle Parallelwelt in der Worte und Laute sichtbar werden. Die Äußerungen scheinen den Mitspielern aus dem Mund zu fließen und nehmen abhängig von Lautstärke, Frequenz und Tonlage die unterschiedlichsten Formen an. Im Zentrum der Installation steht ein Tisch auf den die virtuellen Objekte Schatten werfen, die auch von den umstehenden Besuchern ohne Datenbrille gesehen werden. Die verwendeten Seetrough-Datenbrillen wurden eigens vom Ars Electronica Futurelab für das Projekt entwickelt. Hier werden erstmals dynamische Objekte im Rahmen einer Augmented-Reality-Anwendung generiert. Die Lautäußerungen und deren Schatten werden in Echtzeit berechnet und im Mixed-Reality-Environment dargestellt.


Re:MARK (2002: Golan Levin, Zachary Lieberman, und Christopher Lindinger) fokussiert auf die symbolische Vielfalt der Sprache. Durch Klanganalyse differenziert der Computer zwischen Geräuschen und Phonemen und verwandelt diese Daten in eigenwillige Zeichen und Symbole. Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die symbolische Bedeutung von Lauten, jener Moment, wenn die Stimme durch Lautbildung zu Sprache, einem Symbol- und Zeichensystem, wird. Die Darstellung erfolgt über eine Projektion auf eine Wand, vor der Personen stehen. Aus dem Schatten der Köpfe tauchen die Zeichen auf.


Dialtones: A Telesymphony (2001-2002: Golan Levin, Gregory Shakar, Scott Gibbons, Yasmin Sohrawardy, Joris Gruber, Erich Semlak, Gunther Schmidl, und Joerg Lehner) ist eine groß angelegte Konzertperformance, deren gesamtes Klangspektrum ausschließlich aus den choreografierten Klingeltönen der Mobiltelefone der Zuschauer besteht. Da der exakte Standort und Klingelton jedes einzelnen Mobiltelefons im Publikum im Voraus bekannt ist, kann Dialtones mit einer breiten Palette nie dagewesener Klangphänomene und musikalisch interessanter Strukturen arbeiten. Darüber hinaus lenkt Dialtones unsere Aufmerksamkeit auf das bislang ungenutzte musikalische Potenzial dieses allgegenwärtigen modernen Gebrauchsgegenstands und kehrt damit unsere Auffassung von akustischer Intimsphäre, öffentlichem Raum, elektromagnetischer Etikette und der Beschaffenheit des uns alle verbindenden Kommunikationsnetzwerks um.

Dialtones beginnt mit einer kurzen Vorbereitungsphase direkt vor der Performance, während der die Zuschauer ihre Handynummern bei einer Reihe sicherer Web-Kioske registrieren. Im Gegenzug erhalten sie die Sitzplätze, die sie während des Konzerts einnehmen, zugewiesen und es werden (sofern möglich) neue "Klingeltöne" in ihre Geräte geladen. Während des Konzerts selbst werden die Mobiltelefone des Publikums dann von einer kleinen Musikergruppe zum Leben erweckt: Es kommt zu einer Massenbespielung der Telefongeräte, die über ein eigens entworfenes visuell-musikalisches Softwareinstrument angewählt werden. Da die Positionen der Zuhörer und die Klingelzeichen ihrer Handys dem Dialtones-Computersystem bekannt sind, können die Performer räumlich gestreute Melodien und Akkorde sowie neuartige strukturelle Phänomene erzeugen, die wie polyphone Wellen über die versammelte Menge hinwegrauschen.

Das grafische, rasterbasierte Interface der Performer wird von oben auf das Publikum projiziert und gemeinsam mit den Sitzplätzen registriert. Sobald das Handy eines Teilnehmers angewählt wird, wird dessen Sitzplatz von oben von einem Lichtspot angestrahlt. Auf diese Weise wird jeder Einzelne ein audiovisuelles Pixel, ein leuchtendes Partikel in einer audiovisuellen Substanz—und die Teilnehmer als Gruppe sind sowohl Publikum als auch Orchester und (aktive) Partitur.


The Secret Lives of Numbers (2002: Golan Levin, Jonathan Feinberg, Shelly Wynecoop und Martin Wattenberg). Die Autoren haben mit Hilfe eigens entwickelter Softwar, öffentlicher Suchmaschinen und leistungsfähiger statistischer Techniken eine umfassende empirische Studie durchgeführt, die die relative Häufigkeit jeder ganzen Zahl zwischen Null und einer Million untersucht. Die daraus entstandene Information zeigt eine außerordentliche Vielfalt von Mustern, die unsere Kultur, unseren Geist und unseren Körper widerspiegelt. Die Autoren gehen von der Annahme aus, dass ihr Datenset ein numerischer Schnappschuss des kollektiven Bewusstseins ist. Hiermit geben sie ihre Analyse an das Publikum in Form einer interaktiven Visualisierung zurück, deren Ziel es ist, das Bewusstsein für die eigene numerische Manifestation bei jedem Einzelnen zu wecken.

In The Secret Lives of Numbers lädt uns Levin ein, die Frage nach dem Primat von Zahl und Wort neu zu untersuchen. In fast allen Aspekten des Lebens verwenden wir Wörter, um Dinge zu beschreiben, zu lokalisieren und zu klassifizieren. Hier aber betrachten wir die Welt durch die Sprache der Zahlen, was nur durch die enorme Menge von Daten im Netz möglich wird. Früher war der Einsatz von Zahlen auf ganz bestimmte Bereiche begrenzt – Postleitzahlen, Telephonnummern, geografische Koordinaten –, während Worte die Felder oder Bereiche des Wissens definierten und so erlaubten, diese gemeinsam zu verwenden. Hier sehen wir, wie unsere Welt aussieht, wenn wir die Dinge entlang dieser anderen Achse ansehen. Wie die Information präsentiert wird, ist wirklich hervorragend und bietet die Möglichkeit, enorme Datenfelder fokussiert zu betrachten, um die Signifikanz einzelner ganzer Zahlen zu erfassen, und das auf eine Weise, die für jedermann zugänglich und faszinierend ist.


Scribble (2000: Golan Levin, Gregory Shakar and Scott Gibbons) kombiniert Elemente von Grafik- und Musiksoftware in dynamischer und ausdrucksstarker Weise und gibt dem Künstler-Musiker-Quartett die Möglichkeit, komponierte wie auch freie improvisierte Musik aufzuführen. Scribble ist nun die Umsetzung der Programme in eine Perfomance an zwei Rechnern. Levin hat eine Komposition entworfen, welche das gesamte künstlerische Spektrum der Audiovisual Environment Suite ausschöpft und so ein einmaliges synästhetisches Erlebnis vermittelt.


Audiovisual Environment Suite (2000: Golan Levin) (AVES) besteht aus einer Reihe von fünf interaktiven Systemen, mit denen abstrakte Animation und abstrakter Sound in Echtzeit geschaffen und aufgeführt werden können. Die AVES-Systeme sind in einer Domain am Kreuzungspunkt von Kunstwerk und Instrument angesiedelt. Als Kunstwerke führen sie eine etablierte Tradition des 20. Jahrhunderts fort, in der Kunstwerke selbst generative Systeme für andere Medien darstellen. Als Werkzeugsatz liefert das Werk AVES eine Vision für kreative Computerarbeit, in der flüchtige Klänge und Licht aus der einzigartigen "Signatur" des kreativen Benutzers entstehen.